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Stricken für den kleinen Geldbeutel

Wenn man sich durch die Anleitungen der beliebtesten Designer*innen auf Ravelry klickt, stellt man fest, dass die meisten edle, handgefärbte Luxusgarne bevorzugen. Und diese sind zugegebenermaßen auch wunderbar. Traumhaft. Prächtige Farben, weich und schmeichelnd, umweltfreundlich, nachhaltig …. und teuer. Und es kann sich eben nicht jede*r leisten, für ein Tuch oder einen Pulli 150 Euro und mehr nur für das Material auszugeben. Ich habe Posts von Leuten gelesen, die sich nicht trauen, sich auf Teststricks zu bewerben, weil sie denken, dass erwartet wird, dass sie mit Luxusgarnen arbeiten und ich lese viele Schmähungen von „Billiggarn“.

Ich gestehe, dass ich bei diesem Thema hin- und hergerissen bin. Einerseits möchte ich nicht minderwertige Ware aus ethisch fragwürdiger Massenproduktion unterstützen, aber andererseits kann ich auch niemanden verurteilen, der sich das teure Garn einfach nicht leisten kann. Und – Schande über mich – ich mache auch ab und zu mal gerne ein Schnäppchen und wenn ich ein hübsches Garn zum Billigpreis sehe, erliege ich auch manchnmal der Versuchung.

Das Bild oben zeigt mein aktuelles Projekt – Myrcella – das dritte Tuch aus meiner Game of Thrones-Tücherserie. Ich stricke es aus einem sehr günstigen Garn von Action, das sich überraschend gut verarbeiten lässt und sehr edel wirkt. Nicht schlecht für 2.99 Euro pro Knäuel, eh? Es ist eine Mischung aus 95% Baumwolle und 5% Poyester mit einer Lauflänge von 630 m / 150 g und ich bin sehr zufrieden damit, wie es aussieht und sich anfühlt. Das wird ein hübsches leichtes Sommertuch. Bleibt noch abzuwarten, wie haltbar es ist, aber da es zum größten Teil aus Baumwolle besteht, sollte es lange tragbar bleiben.

Dennoch mache ich mir mehr und mehr Gedanken über Dinge wie Nachhaltigkeit und faire Produktion, also was soll ich tun? Bewußt auf Dinge wie mulesing-freie Wolle achten und so wenig Kunstfaster wie möglich kaufen? Das sind doch bestimmt die „richtigen“ Entscheidungen, oder? Die Veganer unter meinen Freunen verneinen das. Ok, also arbeite ich nur mit Baumwolle und Kunstfaser? Meine umweltbewußten Freunde weisen auf die Gefahren des Mikroplastik und den hohen Wasserverbrauch bei der Baumwollproduktion hin. Wer tut das Richtige, wer das Falsche? Ich denke, am besten geht man den goldenen Mittelweg.

Erst einmal müssen wir uns klar machen, dass wir ALLE im Luxus leben, auch wenn sich nicht jede*r von uns das teuerste Edelgarn leisten kann. Im Vergleich zum Rest der Welt geht es uns sehr gut und unser Hobby Stricken ist in erster Linie genau das: ein Hobby. Keine*r von uns müsste erfrieren, wenn sie keine Tücher oder Pullis strickt. Wir BRAUCHEN die Sachen nicht wirklich um zu überleben, also sind wir im weitesten Sinne hier, wie bei allen anderen Konsumgütern auch, nicht frei von Schuld, egal für was wir uns entscheiden. Damit müssen wir klarkommen oder den totalen Verzicht anstreben und das wird in unsere Gesellschaft niemand schaffen. Und – da bin ich ganz ehrlich – das will ich auch nicht.

Für den Augenblick schließe ich einen Kompromiss mit mir selbst – ich kaufe wesentlich weniger Garn als noch vor einigen Jahren. Nach einer gewissen Zeit habe ich festgestellt, dass ein Großteil meines Wollberges gar nicht mehr so attraktiv auf mich wirkt und ich habe vieles gespendet und verschenkt. Also versuche ich nun nur noch projektspezifisch zu kaufen und ich achte mehr auf die Garnzusammensetzung, die Herkunft etc. Dennnoch versage ich mir nicht das gelegentliche Vergnügen eines Schnäppchenkaufs und bis ich einen tollen Garnhersteller finde, der meine Designs mit kostenlosen Garnspenden unterstützt, muss ich auch ab und zu mal günstiges Garn kaufen. Also schämt euch bitte nicht, wenn ihr günstiges Material kauft (oder kaufen müßt), denn was ihr auch immer macht, irgendjemand wird es für falsch halten und was ihr auch immer macht wird Auswirkungen haben. Trefft einfach eure Kaufentscheidung bewusst so dass IHR selbst damit leben könnt.

Übrigens: ich akzeptiere in Teststricks meiner Modelle alle geeigneten Garnarten und ich ermutige meine Stricker*innen ausdrücklich, ihre eigene Wahl zu treffen. Nehmt das Garn, das euch am besten gefällt und das am besten zu eurem Geldbeutel passt. In meinen Anleitungen findet ihr immer alle Angaben über die verwendeten Garne, die euch helfen, eine passende Alternative zu finden. Vor allem die Lauflänge und die Materialzusammensetzung sind hier sehr hilfreich.

Liebe Grüße
Ingrid

lebe. stricke. liebe.

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